Joseph Graf von Westphalen, geboren am 26.Juni 1945 in Schwandorf/Oberpfalz, aufgewachsen in München. Studierte Germanistik und Kunstgeschichte, Promotion 1978. 1981–1986 Redakteur bei „Westermanns“ (Monatsheften). Seit 1987 freier Autor; lebt in München. Joseph von Westphalen ist Mitglied im PEN-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland.
* 26. Juni 1945
von Jan Strümpel
Essay
Die Glosse ist im feuilletonistischen Tagesgeschäft gemeinhin der Ort für die „spitze Feder“, an dem mit aufklärerischem Impuls gesellschaftliche Phänomene subjektiv-pointiert dargestellt werden. Mit glossierenden Essays begann Joseph von Westphalen in den achtziger Jahren seine literarische Laufbahn. Sein außerordentlicher Erfolg in diesem Genre erklärt sich daraus, daß der Autor dem schalen Beigeschmack kulturkritischer Kolumnen mit stilistischer Meisterschaft entgegenzusteuern versteht. Denn Westphalen nimmt den Impuls der Glosse formal auf, ohne in den Sog ihres oft beliebigen, situationsbedingten Moralisierens zu geraten. Das im Feuilleton zu beobachtende Verfahren, das kritische Auge auf jedes Objekt zu richten, um den sich dort vorgeblich verbergenden Gehalt an Ideologie (etwa der „Bewußtseinsindustrie“) zu ‚entlarven‘, treibt Westphalen auf die Spitze, bricht es ironisch und bringt es damit zu Fall. Er verhöhnt „auf Bestellung, für gutes Geld und aus tatsächlicher Verärgerung“ und kann doch weder als Lohnschreiber noch als Moralist abgetan werden. Seine Abneigung gegenüber Moden, Phrasen und ...